Die Stellung der Frau im Buddhismus

Vorwort

Vor einiger Zeit erhielt ich eine Mail, in der es um Toleranz ging – dieses insbesondere in Hinsicht auf Sexualität. Der Absender beklagte sich (zu Recht!) darüber, dass auch Buddhisten – auch solche in Mönchsroben! – vor Verirrungen nicht gefeit sind:

Es ist sogar so, daß der Mädchenhandel oft direkt auf dem Klostergelände abläuft. Aber die Mönche haben eben die gleiche Macho-Denkweise wie alle anderen Männer. Eine Frau ist sowieso unrein und unfähig zur Erleuchtung. Da macht es doch keinen Unterschied mehr, sie total in den Dreck zu stoßen. (1)

Diese Bemerkung will ich zum Anlass nehmen, die Haltung des Buddhismus zu Frauen näher zu untersuchen. In der Tat scheint hier auf den ersten Blick (wie in so vielen anderen Religionen auch) eine deutliche Frauenfeindlichkeit unübersehbar.

Quellen

Diese Haltung ist im Pali-Kanon zu belegen. Bezeichnend ist die Begebenheit, als sich Mahapajapati Gottami, die Tante und Ziehmutter des Buddha, sich zu ihm begeben hatte und darum bat, dass er Frauen die Ordination als Nonne erlauben möge. Der Buddha lehnte das ab, obwohl seine Ziehmutter mehrfach insistierte. Auch die Tatsache, dass sie daraufhin ihre Haare scheren ließ, die gelben Mönchsgewänder anlegte und ihm mit geschwollenen Füßen, mit staubbedecktem Körper, betrübt, bekümmert, mit Tränen in den Augen folgte, konnte den Buddha nicht umstimmen. Ananda, der Primus inter pares unter den Jüngern, vermittelte. Zunächst ließ er sich bestätigen, dass Frauen wohl imstande sind, die Frucht des in die Bahn Gelangten oder des Einmalwiederkehrenden oder des Nichtwiederkehrenden oder die Heiligkeit zu erwerben. Weiter wies Ananda darauf hin, dass diese Mahapajapati Gottami sich wohlverdient gemacht [hat] – sie, des Erhabenen Mutterschwester, hat für ihn gesorgt und ihn gepflegt, ihn mit Milch genährt, hat den Erhabenen nach dem Hingang seiner Mutter an ihrer Brust trinken lassen. Diesen Argumenten konnte der Buddha schwerlich ausweichen und stellte acht schwere Ordnungen auf. Diese soll die eine Nonne seines Ordens achten, hoch halten, heilig halten, ehren und ihr Leben lang nicht übertreten. Auszugsweise besagen diese Ordnungen:

Diese Bedingungen nahm Mahapajapati Gottami freudig an und wurde also zur Nonne ordiniert. Der Buddha hatte diesbezüglich noch immer Bedenken:

Wäre es [die Ordination] den Weibern, Ananda, nicht gewährt, … tausend Jahre würde die wahre Lehre bestehen. Da aber [Frauen ordiniert werden] … , nur fünfhundert Jahre wird die wahre Lehre bestehen.

Wie wenn ein schön gedeihendes Reisfeld, Ananda, von der Krankheit befallen wird, die man Mehltau nennt – dann besteht dieses Reisfeld nicht lange: so bleibt auch [wenn Frauen ordiniert werden] … solcher heiliger Wandel nicht lange bestehen.

Wie wenn ein Mann, Ananda, um einen großen See, um Gefahren vorzubeugen, einen Damm baut, so dass Wasser nicht darüber hinaus fließen kann, so habe ich, Ananda, um vorzubeugen, den Nonnen die acht schweren Ordnungen gesetzt, die sie ihr Leben lang nicht überschreiten dürfen.

Auf ersten Blick …

… zeugt das, was hier von der Gründung des ersten Nonnenordens berichtet wird, von einer eindeutigen Frauenfeindlichkeit. Der Buddha benahm sich offensichtlich ausgesprochen schäbig und zwar seiner Ziehmutter im Besonderen (2) und den Frauen in Allgemeinen gegenüber. Es ist gut zu verstehen, wenn sich mancher von diesem Text abgestoßen fühlt und sich in der Meinung bestätigt sieht, dass viele, wenn nicht alle Religionen Instrumente zur Unterdrückung der Frauen sind. Andere wiederum sehen sich bestätigt in der Auffassung der natürlichen männlichen Überlegenheit und meinen, aus solchen Textstellen die Rechtfertigung sogar zur Prostitution auf dem Klostergelände zu sehen. Das kann und darf nicht wahr sein und widerspricht allem, was der Buddhismus sonst an Toleranz, Menschlichkeit und Weisheit verkörpert. Um dieses Dilemma aufzulösen, bieten sich verschiedene Ansätze an:

Historischer Ansatz

Die Unterdrückung der Frau ist zu allen Zeiten der menschlichen Geschichte zu beobachten – die wenigen Ausnahmen eines Matriarchats sind so selten (3), dass sie diese Regel bestätigen. So wird es auch in Nordindien zur Zeit des Buddha gewesen sein. Insbesondere in Hinsicht auf die Religion hatten (und haben!) und Frauen nichts zu melden. (4) Die Ordination von Frauen kam somit einer Revolution gleich. Man kann dem Buddha sicher nicht vorhalten, dass er Umwälzungen scheute, viele Kerngedanken seiner Lehre waren vor dem Hintergrund des Brahmanismus revolutionär – sie sind es auch heute noch! Gleichwohl kann es weise sein, den Grad der Provokation abzuwägen. Es ist denkbar, dass solche Überlegungen den Buddha zögern ließen. Seine Lehre des Nicht-Ich (Anatman) beispielsweise war schon eine erhebliche Zumutung an seine Zeitgenossen. Sie war ihm aber wohl wichtiger als die Idee des Womens Lib. Um seine Hörer nicht zu überfordern mag er zurückhaltend gewesen sein.

kamma

Die Menschen sind in der Tat ungleich – so auch Mann und Frau. Diese Tatsache ist ebenso offensichtlich wie zu leidenschaftlichem Disput verführend. Zur Zeit des Buddha als Frau geboren worden zu werden, war nicht unbedingt erstrebenswert – nicht nur in Hinsicht auf die Erlangung spiritueller Würden. (In mancherlei Hinsicht hat sich das bis heute nicht geändert.) Im Blickwinkel des kamma ist es aber nicht so sehr bedeutend, wo man steht, sondern wohin man sich aufgrund seiner Taten und Bestrebungen entwickelt. Dem Buddha war es selbstverständlich, dass diese Entwicklung sich über eine Unzahl von Existenzformen, weiblichen und männlichen, menschlichen und nicht-menschlichen, vollzieht. Wenn er also Frauen die Ordination zunächst verwehrte, so bezog sich das auf ihre jetzige Existenzform. Die Entwicklungsmöglichkeit selbst zum Buddha war in ferneren Existenzen damit nicht in Frage gestellt. Wichtig ist das Bemühen um Entwicklung zur Befreiung, von der wir alle, ob Mann oder Frau himmelweit entfernt sind. Die Nonne Soma brachte das in einer Auseinandersetzung mit Mara, dem Bösen, einmal auf den Punkt:

Was kann’s schaden, dass ich Weib bin,
wenn nur mein Geist sich recht versenkt,
wenn des Wissens Besitz mein ist
und Kund mir ist der Wahrheit Wort?

Ohnmächtig ward der Lust Lockung.
Die Finsternis zerrissen ist.
So sollst du wissen denn, Böser:
Besiegt bist Du, o Todesfürst!

Kritik

Die obigen Versuche der Rechtfertigung vermögen mich nicht zu überzeugen. Gemäß der Weisung des Buddha an die Kalamas:

… Und wenn ihr selbst erkennt: Diese Dinge sind heilsam, annehmbar, werden von Verständigen gepriesen, führen, wenn verwirklicht, zu Heil und Glück – dann, Kalamas, solltet ihr sie Euch zu eigen machen.

will ich die Tauglichkeit der Frauen für den Buddhismus selbst überprüfen. Mir scheint, dass sie sich in der Tat auch diesbezüglich von Männern unterscheiden.

Die große Problematik von Verallgemeinerungen will ich hier vermeiden, indem ich meine Frau hier beispielhaft skizziere. Sie steht der buddhistischen Lehre, wie jeder Religion, äußerst skeptisch gegenüber. Trotzdem ist sie, was spezifische buddhistische Tugenden angeht, mir weit überlegen. Sie bedarf des Dhamma damit viel weniger als ich. Beispielhaft sei die Ichlosigkeit herangezogen. Meiner Frau sind Bestrebungen zur Dominanz, gar noch verbunden mit Gewalt, völlig wesensfremd. Sie vereinigt in sich die Göttlichen Weilungen (brahma-vihara) in einem Maße, wie ich es mir allenfalls erträumen kann. So ist sie von besonderer Herzenswärme (metta) geprägt, bestimmt von aufrichtiger mitmenschlicher Teilnahme in Form von Mitfreude (mudita) und Mitleid (karuna). Hierbei bleibt sie aber sie selbst meist gelassen (upekkha). Ich will sie nicht zum Bodhisattva hochstilisieren, sie ist diesem Ideal aber fraglos näher als ich.

Es mag schon sein, dass der Schluss von meiner Frau auf die Weiber im Allgemeinen nicht zulässig ist. Ich meine aber trotzdem, dass tendenziell Frauen weiter sind als Männer, dass Männer ihre spezifischen Verblendungen haben, die sie in besonderem Maße in Unheilsamem verstricken. Heilsam ist es sicherlich für viele Männer einzusehen, dass Frauen ihnen tendenziell überlegen sind, was die Erlangung spiritueller Ziele angeht. In Hinsicht auf das oben unter der Überschrift kamma Gesagte, ist das aber von untergeordneter Bedeutung: Bei entsprechendem Bemühen besteht die Chance, die nächste Daseinsform als Frau anzutreten.

Fußnoten:

1 Es ist sehr die Frage, in wie weit die Unterstellung der Prostitution in buddhistischen Klöstern haltbar ist. Wahrscheinlich beruht er auf einem gezielt provozierten Irrtum.
Ich bin sehr dankbar, von einer Buddhistin aus Kassel einen wertvollen Hinweis zum Thema erhalten zu haben: Die chinesische Besatzungsmacht setzt gezielt Prostituierte ein, um die tibetischen Mönche zu diskreditieren. Das geht eindeutig aus einem Artikel der WTN-L World Tibet Network News hervor, der hier zu lesen ist: WTN-Artikel
2 Auch Jesus war diesbezüglich nicht unproblematisch. Er hat sich in geradezu abstoßender Weise seiner Mutter Maria gegenüber verhalten: Jesus spricht zu ihr: Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau? (Joh 2,4)
3 Neuere archäologische Untersuchungen weisen darauf hin, dass es im Mittelmeerraum Kulturen gab, die unter Mutterherrschaft standen, beispielsweise Çatal Hüyük in Anatolien (heutige Türkei) und die minoische Kultur auf Kreta (heutiges Griechenland).
4 So auch in der christlichen Religion. Im 1. Kor. 14,34 sind die bezeichnenden Worte zu lesen: Mulieres in ecclesia taceant. (Eure Weiber lasset schweigen in der Gemeinde.)
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