09 – Maxxx-Computer

Es hatte keine sechs Monate gedauert, bis die ersten Computer, sie nannten sich Maxxx, ausgeliefert wurden. Sie sorgten für einige Irritation: Das Betriebssystem war schlicht eine Revolution, wie sich die Presse einig war. Die Nutzeroberfläche wirkte spartanisch, das Programmangebot war höchst überschaubar. Im Wesentlichen bestand es aus einer Art Internet-Browser, der allerdings auch ebenfalls neuartige Seiten aufrufen konnte, die ihrerseits Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Grafik-, Film- und Klangerzeugung boten – und zwar mit einer Performance, die bisher nur von Spitzentechnologie erreichbar war.

Die Software war nicht nur hinsichtlich der Leistungsfähigkeit sensationell. Sie war auch höchst mysteriös, die Programmierung absolut unverständlich. Der Quellcode entsprach einem einzigen, riesigen, kryptischen File, ähnlich einer unknackbar verschlüsselten Datei. Jeder Versuch, sie auszulesen, ergab eine Folge fremder Zeichen – zu allem Überfluss Zeichen, die sich bei jedem Leseversuch änderten. So war jeder Versuch der Manipulation zum Scheitern verurteilt.

Nach weiteren drei Monaten begann Maxxx-Industries, Satelliten zu platzieren, die die Computer mit dem Internet verbanden. Zur Verbindung reichte es, die Geräte anzuschalten.

Das Unglaublichste aber war die kaufmännische Seite des Unternehmens. Den Preis der Computerhardware und der Software legten die Käufer selbst fest. Die Schüler der Dritten Welt waren von dieser Regelung ausgeschlossen. Sie bekamen die Maschinen gratis. Viele andere Interessenten zahlten – zum Teil ganz erhebliche Summen als Anerkennung für das Geschäftsprinzip, wie sie erklärten. Das funktionierte derartig gut, dass sich das Computergeschäft zu tragen schien.

Max, der vermeintliche Hersteller und Vertreiber der Computer, wurde als mysteriöser Philanthrop gefeiert. Er galt als mysteriös, weil er sich von der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte. So sehr er die Projekte schätzte, so sehr war ihm der Trubel um seine Person zuwider. Schließlich bestand sein Beitrag nur darin, dass er seinen Namen zur Verfügung stellte, was allerdings nur er und Xenia wussten. Niemand hatte Max seit Baubeginn der Industrieanlagen je persönlich gesehen.

Die Aktionen von Maxxx-Industries stießen nicht auf ungeteilte Gegenliebe. Die heftigsten Anfeindungen kamen von Menschen, denen der allgemeine Zugang zu Informationen und Bildung ein Dorn im Auge war. Es stellte sich heraus, dass die Ideologie Boko haram, also Bildung ist Sünde weiter verbreitet war, als jemand für möglich gehalten hatte. Dieser Meinung nämlich war nicht nur eine einzelne islamistische Terrorgruppe, sondern auch die etablierten Religionen. Neben dem Islam polemisierte die katholische Kirche besonders heftig.

Auch Diktatoren jeder Couleur stellten sich massiv gegen die Maxxx-Computer. Sie fühlten sich durch die freie Vermittlung von Informationen an die von ihnen Geknechteten massiv bedroht, denn die Knechtschaft wurde offensichtlich. Trotz aller Bemühungen war es aber nicht möglich, die Verbrei-tung zu stoppen.

Darüber hinaus gab es eine Besonderheit der Software, die für erhebliche Irritation und endlose Diskussionen sorgte. Es war das X, das in Texten jeglicher Art immer wieder auftauchte. Dieses Zeichen stellte einen Link zu Informationen zu eben jenem Text dar. Irritierenderweise erschien es umgehend, nachdem der Text in das Netz gestellt wurde. Die Art der so verlinkten Informationen gefiel den Verfassern in aller Regel nicht. Deren Aussagen wurden nämlich sachlich und unangreifbar richtiggestellt.

Diese Praxis erläuterte Maxxx-Industries in einem der sehr selten gewährten Interviews, das weit publiziert wurde.