Mit Staatsleistungen sind Gelder gemeint, die ohne Bindung an ein öffentliches Interesse und nicht zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gezahlt werden. Sie dienen allein der institutionellen Förderung der Kirchen und werden ihnen ohne Zweckbindung zur freien Verfügung überwiesen. Es geht also nicht um Mittel für kirchliche Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Seniorenheime oder Pflegeeinrichtungen, schon gar nicht um die von den Kirchenmitgliedern gezahlten Kirchensteuern.
Begründet werden diese Zahlungen mit alten und uralten vermeintlichen Verpflichtungen, die der damals noch enger mit der Kirche verbundene Staat eingegangen ist. Beispielsweise sei der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 genannt. Es wurde ein kleiner Teil kirchlicher Lehen säkularisiert, die entsprechenden Fürstbischöfe also entliehen
, verloren damit Privilegien, die sich aus ihrem Lehen ergaben. Im Ausgleich wurden Gelder versprochen – und zwar nicht etwa nur für die Lebenszeit der Betroffenen, sondern open end.
Dass solche unendlichen und unredlichen Verpflichtungen widersinnig und Unrecht sind, erkannten auch die Schöpfer der Reichsverfassung der Weimarer Republik bereits 1919. Im dortigen Artikel 138 Abs. 1 heißt es:
Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.
Diese Bestimmung wurde den Artikel 140 unseres Grundgesetzes übernommen. Die Weigerung, diesem Verfassungs-Auftrag nachzukommen, hatte 2019 100-jähriges Jubiläum.
Von 1949 bis 2018 insgesamt 17,9 Milliarden Euro (17.900.000.000 €) gezahlt worden. Über die Zahlungen von 1919 bis 1949 liegen keine Unterlagen vor. Obwohl die Zahl der Kirchenangehörigen sinkt (von rund 95 % der Bevölkerung im Jahr 1949 auf 47,5 % 2022, Tendenz weiter sinkend), wachsen die Beträge jährlich: 2022 sind es laut Haushaltsplänen 687.508.339 €, davon 354.611.149 € an die evangelische, 247.872.590 € an die katholische Kirche.
Es besteht die Auffassung, dass die Beendigung der Staatsleistungen durch eine Ablösungsentschädigung gegenüber der Kirche ausgeglichen werden müsse.
Meiner Meinung nach ist die angemessene Höhe dieser Entschädigung 0,00 €. Begründung: Die seit 1919 gezahlten Staatsleistungen sind unrechtmäßig, sogar verfassungswidrig. Die Kirche hat dieses Geld rückzuerstatten, was sie freilich leicht kann, aber kaum machen wird. Hilfsweise ist festzustellen, dass die weit über 17,9 Milliarden Euro als Ablösungsentschädigung mehr als ausreichen.
Darüber hinaus ist festzustellen, dass der Staat noch weit mehr für das finanzielle Wohlergehen der Kirche leistet. So sind Körperschafts- und Grundsteuer für die Kirche ein Fremdwort, während Kirchensteuer sehr wohl ein Thema ist. Letztere wird vom Staat für die Kirche eingezogen. Das und diverse weitere staatliche Wohltaten hat die deutschen Kirchen zu den wohlhabendsten Religionsgemeinschaften weltweit gemacht. Auch hierbei handelt es sich um Leistungen, die meiner Meinung nach sofort abgeschafft werden müssen – schließlich zieht der Staat auch nicht den Vereinsbeitrag für Heilig Schlappohr
ein.
Ablösungder Staatsleistungen
Neuerdings geben einzelne Politiker vor, den Skandal um die Staats-Leistungen beenden, also dem Verfassungsauftrag endlich nachkommen zu wollen. Dabei wird eine Ablösungsentschädigung von 10 Milliarden Euro (10.000.000.000 €) genannt. Das ist ein ganz mieser Betrugsversuch, ein Etikettenschwindel, der seinesgleichen sucht.
Um das genauer zu erläutern, sei ein ganz klein wenig Mathematik erlaubt. (Keine Angst: Es tut nicht weh!)
Stellen Sie sich vor, ich wollte Ihnen, respektive Ihren Nachkommen eine jährliche Rente von 500 € auf Ewigkeit zahlen. (Ich bin sicher, dass Ihnen diese Idee nicht ganz unangenehm ist.)
Diese Zahlungen könnten auch geleistet werden, indem ich Geld so anlege, dass die resultierenden Zinsen die Rente ergeben. Bei einem Zinssatz von 5 % wäre das 20-fache der Rente anzulegen, also 500 × 20 = 10.000. Anders formuliert: 5 % von 10.000 sind 500.
Das Ganze funktioniert natürlich auch mit deutlich größeren Zahlen: Eine Ablösung
von 10 Milliarden entspricht jährlichen Staatsleistungen von 500 Millionen. Das bedeutet, die heimtückisch behauptete Ablösung ist keine, sondern das genaue Gegenteil: die Zementierung ewiger Zahlung dieser ungerechtfertigten Leistungen.