15 – Wer ist Xenia? - 02

Xenia lehnte sich wieder in ihren Sessel zurück. Ich denke, es ist sinnvoll, wenn ich Dir mehr über mich erzähle, begann sie. Insbesondere über meine Biologie.

Mit einem Schlag war Max' Irritation über die äußere Erscheinung seiner Gesprächspartnerin verschwunden. Ja! Das interessiert mich viel mehr als das Technik-Gedöns.

Dachte ich mir, fuhr sie fort. Ich bin anders, als Du Dir vorstellen kannst. Du nimmst an, dass Du gerade mit einem Individuum kommunizierst. Das stimmt nur bedingt. Ich bin viele, sehr viele. Ich bestehe genau wie Du aus vielen Zellen. Die aber sind viel autonomer als Deine. Bei mir ist jede Zelle ein Individuum und wir zusammen sind eins.

Ich sehe also eine Art Ameisenstaat vor mir? Deswegen Deine Vorbehalte vor geraumer Zeit hinsichtlich der Intelligenz dieser Tiere?

Es ist eine Freude, mit Dir zu kommunizieren. Du hörst sehr aufmerksam zu.
Ja, so ähnlich kann man das sehen. Ich bestehe also aus vielen Einheiten, die alle für sich existieren können, die es aber vorziehen, einen Staat zu bilden, weil das viele Vorteile hat; nicht zuletzt den der Schwarmintelligenz.

Ja, wir beginnen erst, diese Phänomene der kollektiven Intelligenz zu begreifen.

Das stimmt nicht. Schon Aristoteles hat sich in seinem Werk Die politischen Dinge damit beschäftigt. Seine Thesen werden Summierungstheorie genannt. Ihr entdeckt erst jetzt wieder, was damals schon thematisiert wurde und durch Religion wie so vieles andere auch zerstört wurde.
Weiter zu meiner Biologie. Ich bestehe also aus vielen Zellen, die einzeln existieren können, einen Zusammenschluss aber vorziehen. Jede der Zellen ist damit totipotent, quasi Stammzelle, wenn Du so willst.

Damit ist also die gesamte Information in jeder Zelle ständig abrufbar – im Gegensatz zu den spezialisierten Zellen meines Körpers.

So ist es. Meine Zellen haben eine höher dimensionierte Art der Informationsverarbeitung. Die von Euch geschaffene, Computer also, funktioniert digital. Sie kennt zwei Zustände, 0 und 1, mit denen ihr Informationen codiert. Eure biologische Informationsverarbeitung funktioniert mit vier Zuständen oder Buchstaben, nämlich mit vier organischen Basen, Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin. Die Information kann hierdurch viel dichter gepackt werden, ist allerdings in der berühmten DNS-Doppelschraube linear aufgebaut.

Die Datenverarbeitung in unserem Hirn funktioniert aber in einem vernetzten System.

Stimmt – und das macht sie so leistungsfähig. In den Zellen, aus denen ich bestehe, ist die Information primär netzförmig organisiert und sie baut sich aus sechzig Buchstaben auf.

Was?! Das bedeutet ja …

Ja. Das bedeutet in der Tat eine andere Dimension – einmal durch die Zahl der Kombinationsmöglichkeiten und zum anderen durch deren Organisation. Das wird noch einmal potenziert durch den Zusammenschluss vieler Zellen, die wiederum in einem Netz funktionieren, auch über größere Distanzen.
Im äußeren Aspekt sind meine Zellen höchst variabel, wie Du durch die Verwandlung meiner Erscheinung eben gesehen hast. Das gilt auch für deren physikalische Eigenschaften.
Du wärest auch über meinen Stoffwechsel irritiert. Ich wechsele nämlich tatsächlich Stoff, atme Wasserstoff-Isotope ein und Helium aus.

Das reicht mir erst mal, kapitulierte Max. Diese Informationen sind so fremd und in ihren Konsequenzen so weitreichend, dass ich das erst mal verdauen muss. Das mit Deiner Informationsverarbeitung eröffnet schon gigantische Dimensionen. Dass aber Deine Zellen ihre Energie aus Kernfusion beziehen, ist, verzeih, geradezu gruselig.