Xenia! Wo bin ich? Was ist …
Alles ok. Beruhige Dich, Max.
Max war völlig verwirrt, wie aus dem Tiefschlaf gerissen. Irgendwo zwischen den Welten, in so etwas wie blau-grünem Gallert schwebend. Kein Gefühl, kein klares Bild, nur diese Stimme, so unwirklich nah, in ihm. Er war nicht fähig, die Lippen zu bewegen, geschweige denn zu sprechen. Wieder Xenias Stimme, wie aus dem Off.
Du merkst, ich kommuniziere mit Deinen Gedanken. Das bedeutet nicht, dass ich sie alle lese. Ich lese nur die, die direkt an mich gerichtet sind.
Was hast Du verändert? Ich bemerke nichts.
Das soll auch so sein. Aber bitte sage mir doch mal: Was ist die 500. Stelle von π?
2 natürlich! Was soll die Frage? – Oh!
Du kannst noch viel mehr. Zum Beispiel kannst Du Dich telepathisch verständigen. Du kannst elektromagnetische Wellen empfangen, ein größeres Spektrum als nur Licht. Du hast damit Zugang zum Internet, also auch jederzeit zu mir.
Wie ist das möglich?
Die Natur hat viele Möglichkeiten. Einige kennt ihr schon. Das mit den elektromagnetischen Wellen zum Beispiel. Eine Taube hat einen Sinn für Magnetismus, wie Du weißt. Auch feinste Ströme zu empfinden, ist kein Problem. Können auch Säugetiere wie der Guyana-Delfin. Schau mal im Internet nach.
Es funktioniert! Ein eingebauter Browser – unglaublich!
Genau genommen habe ich mich bei Dir eingebaut. Zellen von mir sitzen in Deinem Hirn. So nehme ich Deine Gedanken wahr. Ich recherchiere dann im Internet und speise das Ergebnis in Dein Hirn ein. Allerdings solltest Du auf mein Wissen zurückgreifen. Es gibt kein Schlagwort bei Wikipedia, dessen Informationsgehalt ich nicht um das Mehrfache übertreffe. Was die Telepathie angeht, so funktioniert das nur mit Personen, die ich ebenfalls infiziert
habe, also derzeit mit niemandem außer mit mir.
Ich habe noch einiges in Deinem Körper verändert. Dein Pankreas-Karzinom und die Leber-Metastasen existieren nicht mehr. Einige Zellen in Deiner Prostata gefielen mir auch nicht. Sie haben das Treffen mit mir ebenfalls nicht überlebt. Außerdem habe ich Fett abgebaut, Deine OP-Narbe ist noch im Umbau.
Max war inzwischen hellwach. Er sprang von seinem Sessel auf, zog sein Hemd aus der Hose. Tatsächlich: der Bauch war deutlich flacher und die Narbe wirkte jetzt wie eine oberflächliche Kratzwunde, die restlos verheilen wird. Irgendwie wirkten seine Arme und Beine auch muskulöser. Vielleicht schien das auch nur so durch den Fettabbau.
Nun ja. Ich muss mich ganz neu kennenlernen. So viele Veränderungen, wahrscheinlich noch mehr. Bisher kann ich mich wahrhaftig nicht beschweren. Alles in meinem Sinne. Besonders erfreulich finde ich, dass ich psychisch derselbe geblieben bin. Xenia, Du hast da nichts verändert. Das gleiche Ich-Gefühl. Sicher: Meine neuen Fähigkeiten werden mich psychisch beeinflussen. Der Geist ist aber ja sowieso ständig im Fluss. Ja, Du verhält Dich absolut fair.
Dass Du Dich in meinem Hirn eingenistet hast, ist eine, um es vorsichtig zu formulieren, gewöhnungsbedürftige Erkenntnis. Ich bin mir aber sicher, dass Du Deine Herrschaft
nicht missbrauchen wirst. Deine Intention ist es, mich zu studieren, nicht, mich zu manipulieren.
Ich freue mich sehr, dass Du das so siehst. Du hast meine Intention sehr genau erfasst. Du bestätigst meine These, dass alle Forscher ähnlich denken – unabhängig von der Herkunft, selbst Galaxien übergreifend.