Erde zu Erde, Asche zur Asche, Staub zum Staube ist eine liturgische Formel, die auf protestantischen Beerdigungen regelmäßig verwendet wird. Sie ist in der Bibel in dieser Form nicht zu finden. Am ehesten entspricht sie dem Spruch: Es fährt alles an einen Ort. Es ist alles aus Staub geworden und wird wieder zu Staub. (Prediger 3,20).
Diese Feststellung ist für sich alleinstehend zutreffend, wie ich unten noch ausführen werde. Im christlichen Kontext wird auf den Schöpfungsmythos angespielt: Da machte Gott der Herr den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. (1.Mose 2,7)
Dieser Mythos wirft eine Reihe von Fragen auf – nicht zuletzt für den Hahnrei Josef. Es scheint mir allerdings fraglich, ob der gute Mann tatsächlich derartige komplizierte Überlegungen anstellte; die Erklärung dieses Wunders
ist allzu offensichtlich.
Besonders originell ist das Schöpfungs-Märchen im Übrigen nicht. Bereits im 17. Jahrhundert v.u.Z schildert der sumerische Atramchasis-Mythos, dass Gott Ea (ursprünglich Enki) den Menschen aus Lehm und göttlichem Blut erschuf. Eine Reihe von Religionen fantasieren ähnlich. Das Motiv des aus Erde geschaffenen Menschen ist typisch für Agrarvölker. Das wird auch belegt durch die Ähnlichkeit zwischen den Wörtern Mensch
und Erde
in vielen Sprachen (lateinisch homo – humus, hebräisch adam – adama).
In der Tat, denn der Urknall hat Materie und enorme Mengen an Energie erzeugt (wobei Energie und Materie äquivalent sind (E=mc2)). Aus einem Teil dieser Materie haben sich Sterne gebildet, die wiederum verschiedene Elemente hervorgebracht haben und diese dann durch gewaltige Explosionen in Form von Staub verteilt haben. Hieraus entstanden neue Himmelskörper und letztlich auch wir.
Mir ist klar, dass es vermessen ist, die Schöpfung
der Welt in drei Sätzen zu erklären. Selbstverständlich ist diese Darstellung grob holzschnittartig. Es kommt mir hier nicht auf Feinheiten an. Wesentlich ist mir, dass es keine Schöpfung
einschließlich Mund-zu-Nase-Beatmung gibt. Um die Entstehung der Welt zu erklären, bedarf es eben nicht der Hypothese Gott
, wie schon Pierre-Simon de Laplace (1749–1827) geantwortet hat, als Napoleon ihn fragte, wo Gott in seinem System der Mechanik, Mécanique Céleste
, vorkomme: Sire, je n’avais pas besoin de cette hypothèse.
Auch, was unsere Zukunft angeht, bedarf es der Hyperthese Gott nicht. Wir werden wieder zu Staub – egal, ob wir gottesfürchtig gelebt haben oder Todsünden am laufenden Band begangen haben. Mit dem Tod zerfällt der Körper. Spätestens in 10 Milliarden Jahren, wenn unsere Sonne zum roten Riesen wird, werden wir endgültig zu Staub. Also: Kein Himmel, keine Hölle – weder im christlichen, noch in einem sonstigen religiösen Sinne.
Auch hier gilt wieder, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse nur oberflächlich dargestellt wurden. So ist nicht sicher, dass wir als Sternenstaub enden. Denkbar wäre zum Beispiel auch der Big Crunch.
Wesentlich ist, dass es auch hinsichtlich der Prognose unserer Zukunft keines göttlichen Wirkens bedarf.
Ich habe einen gewaltigen räumlichen und zeitlichen Bogen vom Urknall bis zum Untergang der Sterne gespannt. Diese Dimensionen sind mit dem menschlichen Verstand nicht zu begreifen und trotzdem mittels wissenschaftlicher Forschung immerhin abschätzbar. Die Bibel faselt von Ewigkeit zu Ewigkeit (Offenbarung 7,12), ohne im Mindesten konkret zu werden.
Der einzelne Mensch ist eine sehr begrenzte Anhäufung von Materie. Seine Masse ist der 1052te Teil der Masse des Universums. 1052 ist eine 1 mit 52 Nullen, respektive 10 Oktilliarden. Diese Zahl ist weit jenseits eines jeden Vorstellungsvermögens, selbst wenn man ein paar Nullen wegließe. Mir kommt es hier darauf an aufzuzeigen, wie unbedeutend in der Masse der Staub ist, aus dem der Mensch entstand und zu dem er wird.
Auch, wenn man als Bezug nicht die 100 Milliarden (1011) Galaxien in unserem Universum und die dort existierenden 70 Trilliarden (70×1021) Sterne wählt und nur das System unseres Sternes, der Sonne nämlich, betrachtet, sind die Proportionen unfassbar, wie ich in meinem Exkurs pale blue dot anmerkte.
Es ist wenig erfreulich, den Menschen ausschließlich als Materie, als Staub vor, nach und auch während seines Lebens zu betrachten. Es gibt mehrere Optionen, auf diese Perspektive zu reagieren. Zwei will ich anführen:
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, weil wir doch nicht einfach Materie sein oder werden können, greifen Religiöse zum Rettungsanker der Beseelung
. Sie unter-, besser: überstellen eine nicht-materielle Entität, die Seele nämlich.
Der Ausdruck Seele hat vielfältige Bedeutungen, je nach den unterschiedlichen mythischen, religiösen, philosophischen oder psychologischen Traditionen und Lehren, in welchen er vorkommt. stellt Wikipedia zu Recht fest. Hier soll in erster Linie der religiöse Aspekt interessieren – doch zunächst prinzipielle Bemerkungen.
Seele
ist immer wieder postuliert, doch nie nachgewiesen worden. (Die Definition als Gefühlsregungen und geistige Vorgänge
lasse ich hier außen vor.)
Die Seele ist somit transzendent. Gleichwohl werden ihr diverse Eigenschaften (unsterblich, unendlich, körperlos, göttlich …) zugeschrieben – Eigenschaften, die freilich sämtlich nicht ansatzweise objektivierbar sind.
Naturwissenschaften kennen keine Seele
im oben skizzierten Sinne, also keine unwandelbare, die Zeiten überdauernde Entität. Der Buddha erkannte das übrigens bereits 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung.
Was uns vorkommt wie Seelenleben
, unsere Geistesregungen, unser Bewusstsein, sind nichts anderes als das Zusammenspiel neuronaler Aktivitäten. Die Tatsache, dass dieses Zusammenspiel derartig komplex ist, dass die Einzelheiten noch nicht verstanden sind, rechtfertigt das Hirngespinst von Seele
nicht ansatzweise.
Ich bekenne mich also zu einem strikten Materialismus und widerspreche in diesem Punkt energisch dem sonst so hellsichtigen Immanuel Kant. Dessen klar dualistische Weltsicht wurde meines Erachtens bereits Mitte des 19. Jahrhunderts im Rahmen des Materialismusstreits überzeugend widerlegt. Pfaffen mögen das im verzweifelten Kampf um die Fundamente ihrer Religion anders sehen. Es würde mich auch nicht wundern, wenn die Mehrheit der Menschen einen Dualismus von Leib (Materie) und Seele
annehmen. Die Idee der Seelenlosigkeit erschien nicht nur zu Buddhas Zeiten vielen als anti-intuitiv, ja, schrecklich.
Diesen Schrecken, der nicht selten auch in blanke Aggression mündet, kann ich nicht nachvollziehen. Dass die psychischen
Vorgänge im Hirn durch elektrochemische Prozesse hervorgerufen werden, ist keineswegs kurzsichtig vereinfachend, sondern erfüllt mich mit Erstaunen vor den Wundern dieser Welt – Wunder, die weit über den Horizont religiösen Wahns hinaus gehen und doch völlig von dieser Welt sind. Von dieser Welt
bedeutet hier, ohne Hokuspokus, nämlich natürlich erklärbar – auch, wenn wir derzeit noch weit von einem umfassenden Verständnis entfernt sind.