Blasphemie?

Wikipedia definiert:

Blasphemie, wörtlich: Rufschädigung, bezeichnet das Verhöhnen oder Verfluchen bestimmter Glaubensinhalte einer Religion. Eine öffentliche, Ärgernis erregende Beschimpfung Gottes wird als Gotteslästerung bezeichnet.

Mir gefällt die folgende Definition:

Blasphemie, die Beschimpfung oder Verhöhnung von frei ausgedachten, meist bösartigen Gottheiten, die es noch nicht einmal hinbekommen, sich selbst dagegen zu wehren.

Mancher Leser mag diesen Text für blasphemisch oder gotteslästerlich halten und einige davon wiederum für ein zu verbietendes Vergehen. Das sind zwei zu unterscheidende Auffassungen: Es gibt Menschen, die den Text in seiner vermeintlichen Blasphemie eindeutig befürworten.

Ich will hier die beiden Aspekte, den der Definition des Textes und den der zu bestrafenden Verwerflichkeit, getrennt betrachten.

Definition

Max Ernst: Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen: André Breton, Paul Éluard und dem Maler

Dieser Text ist definitiv keine Verfluchung, wessen und welcher Art auch immer. Ein Fluch ist ein der Magie zuzuordnendes Fantasiekonstrukt, genau wie dessen Gegenteil, der Segen. Ich bemühe mich sehr, mich von Magie vollständig zu distanzieren. Ich verfluche oder segne somit nichts und niemand.

Wie steht es mit dem Aspekt Verhöhnung? Das mag irrtümlich so empfunden werden. Schon eingangs äußerte ich, dass dieses Pamphlet als provokativ, parteiisch, unverfroren, lästerlich und was der Ehrentitel noch mehr sind aufgefasst werden kann, als ein Heidenspaß eben – nicht zuletzt auch mit den Mitteln der Satire.

Ich verhöhne jedoch nicht bestimmte Glaubensinhalte einer Religion. Ich entlarve diese Inhalte als sachlich falsch und irreführend. Das ist keine Verhöhnung, sondern eine Richtigstellung. Auch die Gläubigen greife ich nicht an – ich werde das später noch einmal eingehend klarstellen. Mein Hohn, meine Verachtung, ja: meine offene Feindschaft gilt aber jenen, die die Verirrungen Naiver hervorrufen, fördern und skrupellos aus Machtkalkül ausnutzen. Diese Widerlinge sind nicht der Glaubensinhalt der Religion, wie sie das gern glauben machen wollen, sondern sie pervertieren den Irrtum des religiösen Weltbildes zu ihren Gunsten.

Strafbarkeit …

… auf Erden

§ 166 StGB Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen
(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

So weit das deutsche Strafgesetzbuch in der heutigen Fassung. Auch dieses unterscheidet zwischen (1) den Inhalten einer Weltanschauung und (2) den Protagonisten.

Derartige Gesetze zum Schutz der Religion gibt es in vielen Staaten, manche gehen viel weiter. Hier in Deutschland ist Blasphemie nur strafbar, wenn der öffentliche Frieden gestört werden könnte.

Das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen legt fest, dass

Verbote von Darstellungen mangelnden Respekts vor einer Religion oder anderen Glaubenssystemen, einschließlich Blasphemiegesetzen, mit dem Vertrag inkompatibel [sind], außer in den bestimmten Umständen, wie sie in Art. 20, Absatz 2 des Vertrags [des Internationalen Pakts über Bürgerliche und Politische Rechte] vorausgesehen sind.

Dieser Umstände-Artikel ruft dazu auf, Folgendes zu verbieten:

die Verfechtung nationalen, rassistischen oder religiösen Hasses, welche zur Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt anstiftet

Auch hier wird wieder auf den öffentlichen Frieden abgehoben. Das bedeutet, dass die Strafbarkeit von eigentlich prinzipiell geschützten Meinungsäußerungen in erster Linie nicht von deren Inhalt, sondern von der Reaktion Betroffener abhängig ist.

Nun zu diesem Text: Die genannten Kriterien treffen auf ihn nicht zu. Er klärt auf, auch über Gewalt und Hass. Er klärt nicht nur auf, sondern er klagt an. Das ist das genaue Gegenteil von Anstiftung zu Feindseligkeit oder Gewalt. Insofern decken sich meine Intentionen mit denen des Strafgesetzbuches und denen der Vereinten Nationen.

Karikatur Mohammed

Es kann nicht sein, dass die Frage nach Recht und Unrecht vom Rabatz professionell Beleidigter abhängig ist. Das haben die dänischen Richter, Einsicht (nicht Gott oder Allah!) sei Dank, im Mohammed-Karikaturen-Streit auch so gesehen. Auch die deutschen Gerichte scheinen wenig geneigt, kritische Äußerungen als eine Störung des öffentlichen Friedens anzuerkennen – sehr zum Ärger der Kirchen.

… vor Gottes grenzenloser Barmherzigkeit

Der Katechismus der Katholischen Kirche stellt zum Thema Todsünde fest:

Asmodäus

1864 Wer aber den Heiligen Geist lästert, der findet in Ewigkeit keine Vergebung, sondern seine Sünde wird ewig an ihm haften (Mk 3,29) [Vgl. Mt 12,32; Lk 12,10]. Die Barmherzigkeit Gottes ist grenzenlos; wer sich aber absichtlich weigert, durch Reue das Erbarmen Gottes anzunehmen, weist die Vergebung seiner Sünden und das vom Heiligen Geist angebotene Heil zurück [Vgl. DeV 46.]. Eine solche Verhärtung kann zur Unbußfertigkeit bis zum Tod und zum ewigen Verderben führen.

Sehr hübsch ist auch der biblische Text im Buch Levitikus, in dem das Lästern nur des Namens des Herrn schlimmer als die Tötung eines Menschen erachtet wird:

Wer des HERRN Namen lästert, der soll des Todes sterben; die ganze Gemeinde soll ihn steinigen. Ob Fremdling oder Einheimischer, wer den Namen lästert, soll sterben. Wer irgendeinen Menschen erschlägt, der soll des Todes sterben.

Tja – der unbedarfte Laie wundert sich: Was genau bedeutet grenzenlose Barmherzigkeit, die dann doch ihre Grenzen findet – und zwar dann, wenn ich meinen Verstand, mit dem mich angeblich mein Schöpfer doch ausgestattet hat, tatsächlich nutze? Schließlich kann ich nicht umhin, mich über den Heiligen Geist lustig zu machen. Dieser Wahn ist einfach zu albern.

3.Mose 24,16-17

Die oben zitierten reliösen Gesetze haben einen eindeutigen Sinn: Sie dienen dazu, Gläubige zu verängstigen, um sie nahezu unlösbar an ihren Wahn zu ketten. Das wiederum ist zum Erhalt der Macht der Kirchen unabdingbar.

Nach meiner Auffassung lästere ich gar nichts, weder Gott, noch den heiligen Geist, noch Rumpelstilzchen, wie ich oben schon klarstellte. Diese Auffassung wird, so nehme ich an, von vielen Christen nicht geteilt, vor allem nicht von den Schuldigen am Katechismus der Katholischen Kirche. Mir ist das herzlich egal: Deren Meinung ist irrelevant. Und jawohl: Ich weigere mich absichtlich und hier öffentlich, durch Reue das Erbarmen Gottes anzunehmen. Ich verbitte mir allerdings die üble Nachrede, die grenzenlose Barmherzigkeit / Unbarmherzigkeit Gottes würde mich jemals heimsuchen.

Wozu diese Gesetze?

Es stellt sich die Frage, warum Religion überhaupt des Schutzes per Gesetz bedarf. Der Ursprung dieser Rechtsnorm liegt in Zeiten, als Kirche und Staat noch mehr als heute miteinander verflochten waren, der Klerus also noch massiveren Einfluss auf die Gesetzgebung hatte. Der Aufklärung verdanken wir, dass der kritische Verstand mehr und mehr absurde Dogmen ersetzt. Dieser Prozess ist allerdings bei Weitem noch nicht abgeschlossen.

Man mag argumentieren, nicht Religion selbst, sondern die religiösen Gefühle der von ihr Abhängigen seien schützenswert. Diese Argumentation ist alles andere als schlüssig: Gefühle im Allgemeinen sind zu diffus, als dass sie sinnvollerweise Gegenstand von Gesetzesnormen sein könnten. Für religiöse Gefühle gilt das in besonderem Maße, denn diese sind nicht nur diffus: sie beruhen zudem auf falschen Annahmen.

 Konsequent wäre es, § 166 StGB komplett zu streichen. Das Verbot von Anstiftung zu Hass und Gewalt ist auch ohne diesen Paragrafen hinreichend klar definiert. Diesen Standpunkt habe ich auch in einem Leserbrief im Januar 2015 veröffentlicht.

Beispiele für tatsächliche Blasphemie

Twins

Nur wer die Existenz Gottes fantasiert, kann den Vorsatz fassen, dessen Ruf zu schädigen. Auf mich trifft das, wie wiederholt verdeutlicht, nicht zu. Islamische Terroristen beispielsweise sind jedoch zweifellos tief gläubig.

Diese Religioten nun, seien es die Gotteskrieger des Islamischen Staates, seien es der Mörder des holländischen Regisseurs Theo van Gogh oder die der Journalisten des Charlie hebdo, sei es der aufgehetzte Pöbel aus Anlass der Mohammedkarikaturen, sei es der ehren-mordende Familienvater – all diese Gestalten also sehen sich Erfüllungsgehilfen Gottes.

Zu unterstellen, dass der Schöpfer des Himmels und der Erde, der Beweger von Galaxien und Atomen auf derart jämmerliche Handlanger angewiesen sei, ist in der Tat Verhöhnung der eigenen Glaubensinhalte und sollte von den anderen Anhängern der jeweiligen Religion keinesfalls toleriert werden.

Ebenfalls eine Verhöhnung der Religion ist freilich deren ungenierte Instrumentalisierung zur Manipulation Naiver. Im Unterschied zu den oben genannten Kriminellen aus dem muslimischen Dunstkreis ist dieser Typus der Religiösen nicht unbedingt gläubig. Ich denke, dass Zynismus viel geeigneter als Frömmigkeit ist, um deren Ziele zu erreichen.

Schließlich ist es blasphemisch anzunehmen, Gott selbst benötige den Beistand der irdischen Gesetzgebung und Rechtsprechung.

Besonders empfindlich hinsichtlich gewähnter Blasphemie sind Anhänger des Islam, der im folgenden Kapitel behandelt wird.