Nicht nur die profanen Menschen störten sich an diesen Kränkungen, sondern die Kirchen im Besonderen. Das war schon bei der ersten Kränkung so. 1979 beauftragte Johannes Paul II die Päpstliche Akademie der Wissenschaften, den berühmten Fall des Galilei von 1616 aufzuarbeiten. 1992 wurde Galileo Galilei von der römisch-katholischen Kirche formal rehabilitiert. Es brauchte also 376 Jahre, bis die Kirche sich bequemte, sich kritisch mit den ihr unliebsamen Wahrheiten auseinanderzusetzen. Sie begann damit 10 Jahre nach der ersten bemannten Mondlandung. 13 Jahre brauchte die famose Akademie, um festzustellen, dass die Erde um die Sonne kreist und nicht, wie von Ptolemäus behauptet, anders herum. Das war zwei Jahre nach Start des Hubble-Weltraumteleskops.
Ich zeige die unglaubliche Schwerfälligkeit der christlichen Kirche nicht nur auf, um mich darüber lustig zu machen. Tatsächlich ist sie gar nicht komisch, wovon Galilei ein Lied hat singen können. Die Inquisition strengte einen Prozess gegen ihn an und er wurde von 1633 bis 1642 mit Hausarrest belegt. Immerhin: Der Scheiterhaufen blieb ihm erspart. Das war nicht bei allen Kritikern der kirchlichen Lehre so.
Ich werde später zeigen, dass die Akademie in der Tat eine schwere Entscheidung zu treffen hatte. Es ging dabei keineswegs um Planetenbewegungen, sondern um Machtverlust.
Man mag nun einwenden, dass Galilei ein Sonderfall gewesen sei, dass sein Fall also kein Beleg für eine besondere Zähigkeit christlicher Einsichtsfähigkeit sei. Mancher mag auch einwenden, dass die Galilei-Angelegenheit ja eine typisch-katholische sei. Betrachten wir also den schon erwähnten Vertreter der zweiten Art der Menschheitskränker, nämlich
Wer meint, dass Darwins Erkenntnisse derart überzeugend sind, dass ein vernünftiger(!) Mensch hieran nicht zweifeln kann, hat ohne jede Frage recht. Dass christlich Indoktrinierte, und zwar durchaus nicht nur Katholiken, Darwins Lehre auch heute noch vehement ablehnen, sogar im wahrsten Sinne des Wortes verteufeln, ist leider ebenso Realität. Es handelt sich hierbei nicht etwa nur um ein paar unbelehrbare Verwirrte, sondern um viele Millionen unbelehrbare Verwirrte.
Wer das nicht glaubt, begebe sich in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in die USA. Dort treiben Kreationisten ihr Unwesen. Diese halten unerschütterlich am christlichen Schöpfungsmythos fest. Sie glauben also an die Erschaffung der Welt in 6 Tagen vor etwa 10.000 Jahren. Diesen Unsinn halten sie für wissenschaftlich belegt und verlangen, dass alle Schüler in dieser Richtung in öffentlichen Schulen indoktriniert werden.
Eine Umfrage aus 2005 ergab, dass 42 % der US-Amerikaner glauben, dass die Lebewesen seit Anbeginn der Zeit in ihrer heutigen Form existierten. Nur 26 % meinen, dass sich das Leben über Jahrmillionen durch natürliche Auslese entwickelt hat. In Deutschland stimmen 61 % Darwin zu, während 12,5 % die biblische Schöpfungsgeschichte wörtlich nehmen. Es bedarf also keiner Inquisition, um Unsinn vor Tatsachen zu schützen.
Es geht der Kirche nicht um Wahrheitsfindung – diese würde sie in ihren Grundfesten erschüttern –, sondern um die Deutungshoheit zur Zementierung ihrer Macht.