Exkurs: Ode an Stalin

Kommunistengott

Es ist ein Paradox, dass totalitäre Verbrecher quasi-religiöse Anbetung erfahren, wohl auch einfordern. Das betrifft sowohl Mitglieder der Kirche (Hitler war zeitlebens römisch-katholisch) als auch erklärte Atheisten. Ein besonderes Exemplar der letzteren Gattung wird in der folgenden Ode angebetet. Das Machwerk stammt von Johannes R. Becher, dem Verfasser des Textes der Nationalhymne der DDR.

Dieses Paradox widerlegt die Behauptung, die Verbrechen mancher Atheisten (Stalin, Lenin, Pol Pot …) würden belegen, wie schrecklich es in der Welt ohne die moralischen Leitlinien der Religion zuginge.

  1. Es gab, wie oben schon angemerkt, durchaus auch religiöse Verbrecher, z. B. Hitler, diverse Päpste
  2. Eine Reihe menschenverachtender Despoten bezeichneten sich tatsächlich als Atheisten, ließen sich aber gleichwohl in einer völlig unkritischen Weise verehren – jede Regung der Vernunft drakonisch unterbindend, bewährter kirchlicher Tradition entsprechend. Religiöse nennen das anbeten.
  3. Moralische Leitlinien, wie sie von Religionen vertreten werden, sind äußerst kritisch zu sehen.
    Die Welt wäre eine bessere, wenn fundierte Ethik religiöse Moral ersetzen würde. Der Dalai Lama beispielsweise sieht das auch so und formuliert das überraschend deutlich.

Nun aber endlich zur Ode – um so viel Brechreiz erzeugenden Kitsch abzusondern, bedarf es schon (pseudo)religiöser Inbrunst.

Zum Tode J.W. Stalins [1953]
Danksagung

Neigt euch vor ihm in ewigem Gedenken!
O sag auch du, mein Deutschland, Stalin Dank.
Er kam, ein neues Leben dir zu schenken,
Als schon dein Land in blutgem Schutt versank.

Er kam, aus deiner Not dich zu erretten,
Wo immer neues wächst, gedenke sein.
Hochhäuser ragen über Trümmerstätten
Und ihr Willkommen lädt uns herzlich ein.

Es wird ganz Deutschland einstmals Stalin danken.
In jeder Stadt steht Stalins Monument.
Dort wird er sein, wo sich die Reben ranken,
Und dort in Kiel erkennt ihn ein Student.

Dort wird er sein, wo sich von ihm die Fluten
Des Rheins erzählen und der Kölner Dom.
Dort wird er sein in allem Schönen, Guten,
Auf jedem Berg, an jedem deutschen Strom,

Allüberall, wo wir zu denken lernen
Und wo man einen Lehrsatz streng beweist.
Vergleichen wir die Genien mit den Sternen,
So glänzt als hellster der, der Stalin heißt...

Dort wirst du, Stalin, stehn, in voller Blüte
Der Apfelbäume an dem Bodensee,
Und durch den Schwarzwald wandert seine Güte,
Und winkt zu sich heran ein scheues Reh.

Am Wendelstein und in den Isarauen
Sind wir begegnet deinem Angesicht.
Wir sind begegnet dir im Abendblauen,
Und sind begegnet dir im Morgenlicht.

In seinen Werken reicht er uns die Hand.
Band reiht an Band sich in den Bibliotheken,
Und niederblickt sein Bildnis von der Wand.
Auch in dem fernsten Dorf ist er zugegen.

Mit Marx und Engels geht er durch Stralsund,
Bei Rostock überprüft er die Traktoren,
Und über einen dunklen Wiesengrund
Blickt in die Weite er, wie traumverloren.

Er geht durch die Betriebe an der Ruhr,
Und auf den Feldern tritt er zu den Bauern,
Die Panzerfurche - eine Leidensspur.
Und Stalin sagt: »Es wird nicht lang mehr dauern.«

Er spricht im neuen Hüttenkombinat.
Wie brüderlich und schlicht sagt er: »Genossen!«
Ein jedes Wort, das Stalin spricht, ist Tat,
Aus einem Stück sind Wort und Tat gegossen.

In Dresden sucht er auf die Galerie,
Und alle Bilder sich vor ihm verneigen.
Die Farbentöne leuchten schön wie nie
Und tanzen einen bunten Lebensreigen.

Mit Lenin sitzt er abends auf der Bank,
Ernst Thälmann setzt sich nieder zu den beiden.
Und eine Ziehharmonika singt Dank,
Da lächeln sie, selbst dankbar und bescheiden.

Die Jugend zeigt euch ihre Meisterschaft
In Sport und Spiel - und ihr verteilt die Preise.
Dann summt ihr mit die Worte »lernt und schafft«
Wenn sie zum Abschied singt die neue Weise.

Nun lebt er schon und wandert fort in allen
Und seinen Namen trägt der Frühlingswind,
Und in dem Bergsturz ist sein Widerhallen
Und Stalins Namen buchstabiert das Kind.

Wenn sich vor Freude rot die Wangen färben,
Dankt man dir, Stalin, und sagt nichts als: »Du!«
Ein Armer flüstert »Stalin« noch im Sterben
Und Stalins Hand drückt ihm die Augen zu.

Dort wirst du sitzen mit uns in der Runde
Und teilst mit uns die Speise und den Trank.
Wir heben, grüßend dich, das Glas zum Munde
Und singen dir und sagen Stalin Dank.

Stalin: so heißt ein jedes Friedenssehnen.
Stalin: so heißt des Friedens Morgenrot,
Stalin beschwören aller Mütter Tränen:
»Stalin! O ende du des Krieges Not.«

Wer je wird angeklagt des Friedens wegen,
Aufrecht stehst du in dem mit vor Gericht.
Die Richter aber ihre Hände legen
Vors Auge, denn sie blendet soviel Licht.

Du trittst herein, welch eine warme Helle
Strömt von dir aus und was für eine Kraft
Und der Gefangene singt in seiner Zelle,
Er fühlt als Riese sich in seiner Haft ...

Im Wasserfall und in dem Blätterrauschen
Ertönt dein Name, und es zieht dein Schritt
Ganz still dahin. Wir bleiben stehn und lauschen
Und folgen ihm und gehen leise mit.

Du Freund der Völker, du, ihr allerbester,
Was je war rühmenswert, blüht dir zum Ruhm.
Es spielt, den Weltraum füllend, ein Orchester
Das hohe Lied von Stalins Heldentum ...

Gedenke, Deutschland, deines Freunds, des besten.
O danke Stalin, keiner war wie er
So tief verwandt dir. Osten ist und Westen
In ihm vereint. Er überquert das Meer,

Und kein Gebirge setzt ihm eine Schranke,
Kein Feind ist stark genug, zu widerstehn
Dem Mann, der Stalin heißt, denn sein Gedanke
Wird Tat, und Stalins Wille wird geschehn.

Vor Stalin neigt euch, Fahnen, lasst euch senken!
Es soll ein ewiges Gedenken sein!
Erhebt euch, Fahnen, und weht im Gedenken
An Stalin bis hinüber an den Rhein.

In Stalins Namen wird sich Deutschland einen.
Er ist es, der den Frieden uns erhält.
So bleibt er unser und wir sind die Seinen,
Und Stalin, Stalin heißt das Glück der Welt.

Die Völker werden sich vor dir erheben,
Genosse Stalin, und zu dir erhebt
Mein Deutschland sich: in unserm neuen Leben
Das Leben Stalins ewig weiterlebt.

Stalin