Ich erlaube mir hier einen Exkurs zur Genesis, dem Schöpfungs-Mythos der Bibel. Hier interessiert die Schilderung vom Baum der Erkenntnis
.
Ich zitiere aus 1. Mose 2 und 3 sowie Römer 5 – in der Luther-Übersetzung, weil ich die Sprache lüstig finde:
Vnd Gott der HERR lies auffwachsen aus der Erden allerley Bewme / lüstig an zusehen / vnd gut zu essen / Vnd den Bawm des Lebens mitten im Garten / vnd den Bawm des Erkentnis gutes vnd böses.
Weiter heißt es:
Aber von dem Bawm des Erkentnis gutes vnd böses soltu nicht essen Denn welches tages du da von isset / wirstu des Todes sterben.
Es kam, wie es kommen musste:
VND das Weib schawet an / das von dem Bawm gut zu essen were / vnd lieblich anzusehen / das ein lüstiger Bawm were / weil er klug mechte / Vnd nam von der Frucht / vnd ass / vnd gab jrem Man auch da von / Vnd er ass.
Nehmen wir versuchsweise dieses Märchen ernst – spielen wir also mal Kreationist
:
Es ist dem Menschen möglich, Erkenntnis zu erlangen. Das aber ist ganz und gar nicht im Sinne Gottes und wird daher mit Todes-Strafe belegt. Es stellen sich hierzu zwei Fragen:
Die Antwort ergibt sich aus dem bereits Festgestellten: Aus der Warum-Frage
und hieraus folgender eigenständiger menschlicher Erkenntnis resultiert die Entmachtung Gottes – er wird als Krücke zur Erklärung der Welt und als Instanz für moralische Fragen überflüssig.
Es geht hier also in der Tat um Leben und Tod: Die entscheidende Lüge ist die Bedrohung des nach Erkenntnis strebenden Menschen. Es ist Gott, der endlich des Todes sterben wird.
Die zweite Frage ist:
Dieses Problem ist eng verwandt mit dem der Theodizee, das ich an anderem Ort behandele. Es ist ein letztlich nicht lösbares Rätsel
, wie der evangelische Alttestamentler Andreas Schüle bekennt.
Ich nehme mir die Freiheit, das Rätsel doch zu lösen. Die Antwort ist eine Frucht jenes Baumes: Gott hat diesen Baum nicht geschaffen. Gott ist eine Ausgeburt der Fantasie, hat folglich gar nichts geschaffen.
Aus Evas Ungehorsam wird ein besonders widerlicher Wahn der christlichen Religion abgeleitet, der der Erbsünde
nämlich. Dieser Unfug geht auf den bereits zitierten Apostel Paulus zurück. Er bemerkt zum Sündenfall im Römerbrief:
Derhalben / wie durch einen menschen die Sünde ist komen in die Welt / vnd der Tod durch die sünde / vnd ist also der Tod zu allen Menschen durch gedrungen / die weil sie alle gesündiget haben.
Dem Christen wird keine Chance eingeräumt: Er ist im Sinne einer ewig währenden Sippenhaft von Geburt an sündig
, ist also zwingend auf eine Erlösung
durch die Religion angewiesen. – Eine Erlösung von einer Schuld
, die ihm von eben dieser Religion perfiderweise eingeredet wurde, eine Erlösung, um die er in der Standard-Hirnwäsche zu flehen hat.
Der Grund für dieses widerwärtige Verbrechen an der Psyche des Christenmenschen ist offensichtlich: Es ist das Bestreben, diesen abhängig zu machen, so Macht über ihn zu gewinnen, um ihn so beliebig zu manipulieren.
Der Sündenfall
, die Verführung, die vom Baum der Erkenntnis mittels Schlange ausgeht, wird sowohl aus jüdischer als auch aus christlicher Sicht sexuell interpretiert. Erkennen
bedeutet im Hebräischen übrigens auch Geschlechtsverkehr vollziehen
.
Die Verknüpfung von Sexualität und Sünde
ist eine Verirrung, die bei Gläubigen nicht selten anzutreffen ist. Fundamentalistische Muslims tun sich hier besonders hervor. Groteske Verklemmungen sind aber auch bei vielen nicht minder fundamentalistischen Amerikanern zu beobachten. Anderseits sei nicht verschwiegen, dass manche Religionsführer widerlichste Perversionen propagieren und praktizieren. Besonders hervorgetan hat sich hier Ajatollah Khomeini.
Es stellt sich die Frage: Warum sind Religionen derartig sexbesessen
? Was geht es die Kirche an, was die Menschen miteinander treiben? Wie Schmidt-Salomon in seinem Aufsatz Freie Liebe für freie Geister? darstellt, sind es auch hier Gründe des Machtstrebens: Stelle nicht einhaltbare Forderungen. Deine Abhängigen müssen versagen und du kannst Profit aus deren schlechten Gewissen ziehen. Lebenslange psychische Traumen sind nicht vermeidbare und höchst willkommene Kollateralschäden.
Keineswegs führt die christliche Vereinnahmung der Sexualität zu deren Läuterung, wie auch Nietzsche schon erkannte: Das Christentum gab dem Eros Gift zu trinken: – er starb zwar nicht daran, aber entartete zum Laster.
Der ehelose notorische Frauenhasser Paulus brachte seine Position in einem Brief an Timotheus auf den Punkt:
Eine Frau lerne in der Stille mit aller Unterordnung. Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre, auch nicht, dass sie über den Mann herrsche, sondern sie sei still. Denn Adam wurde zuerst gemacht, danach Eva. Und Adam wurde nicht verführt, die Frau aber wurde verführt und übertrat das Gebot. Sie wird aber gerettet werden dadurch, dass sie Kinder zur Welt bringt, wenn sie bleiben mit Besonnenheit im Glauben und in der Liebe und in der Heiligung.
Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Haltung des Vatikans zu Frauen als Priester absolut verständlich.
Durch einen menschen die Sünde ist komen in die Welt, durch Eva nämlich. Sie hat den armen Adam verführt, verführt ihn ständig und ist deswegen einzusperren oder zumindest zu verschleiern, so auch vom islamischen Wahn propagiert. In den meisten Religionen werden Eva und all ihre Töchter mehr oder weniger unterdrückt.
Nehmen wir weiterhin die Genesis-Legende ernst und stellen wir fest: Eva ist die erste Aufklärerin. Sie widersetzte sich dem göttlichen Verbot und folgte ihrem menschlichen Forschungsdrang. Sie stellte das menschliche Interesse über das göttliche. Insofern war sie auch die erste Humanistin.
Es ist übrigens zutreffend: Der Baum der Erkenntnis, Aufklärung und Humanismus, stehen mitten im Garten Eden. Aus dem wollen die Religionen Abrahams uns aus eigensüchtigen Gründen vertreiben. Der Weg zurück vom verfluchten Acker mit Dornen und Disteln zum Bawm lüstig an zusehen ist keineswegs durch einen Engel mit loderndem Flammenschwert versperrt, sondern lediglich durch eine irrationale Angst vor dem Verbot einer Fantasiegestalt.
Eva hat uns keine Sünde, sondern einen Auftrag vererbt:
gutund
bösegewinnen, perverse moralische Vorgaben überwinden und zu einer begründeten Ethik gelangen.
siehe:
Text
Exkurse